
Astrofotografie-Abenteuer: Den Crescentnebel einfangen unter dunklem Schweizer Himmel
Astrofotografie ist für mich nicht einfach nur ein Hobby – es ist eine Mischung aus Technik, Geduld und einem Hauch Magie. In einer klaren Nacht im Sommer habe ich mich aufgemacht, um eines der faszinierendsten Deep-Sky-Objekte am nördlichen Himmel festzuhalten: den Crescentnebel (NGC 6888) im Sternbild Schwan.
Er ist ein Emissionsnebel, etwa 5.000 Lichtjahre von der Erde entfernt, und entstand durch den starken Sternenwind eines massereichen Wolf-Rayet-Sterns. Seine sichelartige Struktur mit komplexen Gasfilamenten macht ihn zu einem spannenden Objekt – besonders in Kombination mit modernen Bildbearbeitungsmethoden.
Planung & Standortwahl
Die Planung begann bereits Tage im Voraus: Ich checkte Wetterberichte, Mondphasen und die Bedingungen für den Standort. Ich entschied mich für einen Platz in der Nähe von Turbenthal im Kanton Zürich, der unter Bortle 4 Himmel fällt. Das bedeutet: dunkler Himmel mit nur minimaler Lichtverschmutzung – ideal, um feine Strukturen im Nebel sichtbar zu machen.
Gegen Abend, etwa zwei Stunden vor Sonnenuntergang, traf ich am Standort ein. Die Temperatur war angenehm, kaum Wind, und der Himmel versprach eine klare Nacht.
Das Equipment – mein Setup für schnelle Astrofotografie
Ich fotografiere mit einem recht kompakten, aber lichtstarken Setup:
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Teleskop: Celestron RASA 8 – ein f/2-Newton-Design ohne sekundären Spiegel, extrem lichtstark und speziell für schnelle Astrofotografie mit CMOS-Kameras ausgelegt.
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Montierung: Skywatcher AZ-EQ6 Pro – eine robuste und präzise Montierung mit GoTo-Funktion und genügend Traglast für das Setup.
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Kamera: ZWO ASI 2600MC Pro – eine gekühlte Farb-CMOS-Kamera mit großem APS-C Sensor, ideal für breite Deep-Sky-Felder.
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Fokussierung: ZWO EAF (Elektronischer Autofokuser) – erlaubt präzise Fokussierung, besonders wichtig bei f/2.
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Autoguiding: Mini Guide Scope mit ZWO Guidekamera, gesteuert über den ASIAir Plus.
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Stromversorgung: Eine 12 kg schwere Lithium-Ionen-Batterie, die die ganze Nacht durchhält.
Der RASA ist sehr empfindlich gegenüber Fokusabweichungen, daher ist ein elektronischer Fokuser hier besonders wertvoll. Bei f/2 sitzt der Schärfebereich im Sub-Millimeter-Bereich.
Aufbau und Vorbereitung – der Start in die Nacht
Nach dem Aufbau der Montierung und dem Montieren des Teleskops befestigte ich die Kamera direkt an der Front des RASA – dort, wo sonst der Fangspiegel wäre. Das bedeutet: keine Spiegelverluste und maximale Lichtsammelleistung.
Dann verband ich alle Komponenten mit dem ASIAir Plus, einer kleinen Steuerbox, über die ich alle Geräte per Smartphone bedienen kann. Besonders praktisch, wenn man zwischendurch im Auto ausruht oder sich vom Setup entfernt.
Folgende Schritte erfolgten in dieser Reihenfolge:
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Stromversorgung anschließen
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Montierung balancieren
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Fokussieren mit dem EAF
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Polar Alignment per ASIAir
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Testaufnahme und Plate Solving
Der Polar Alignment über das Smartphone dauerte nur wenige Minuten und lieferte exakte Ergebnisse – eine der besten Funktionen des ASIAir-Systems.
Belichtung & Guiding – der eigentliche Aufnahmeteil
Gegen 23:00 Uhr begann ich mit den eigentlichen Belichtungen. Der Himmel war dunkel, der Nebel stand hoch im Süden, perfekt platziert. Ich entschied mich für 60 Sekunden lange Einzelbelichtungen, da das RASA 8 bei f/2 schon in kurzer Zeit sehr viele Photonen sammelt.
Der Autoguider lief reibungslos – mit einem Gesamt-Guidingfehler von rund 0.40 Bogensekunden. Das war mehr als ausreichend für 60-Sekunden-Aufnahmen bei dieser Brennweite.
Insgesamt sammelte ich über 250 Bilder, also etwa 4 Stunden Gesamtbelichtungszeit. In Kombination mit dem Bortle-4-Himmel ein sehr solides Fundament für eine detailreiche Aufnahme des Nebels.
Während die Kamera arbeitete, legte ich mich für ein paar Stunden ins Auto. Gegen 04:00 Uhr wurde ich wach, trat hinaus in die Stille der Nacht – ein Moment, der für mich zu den schönsten an der Astrofotografie gehört. Die Milchstraße spannte sich über den Himmel, in der Ferne zirpten Grillen.
Kalibrierungsbilder – der unsichtbare Held der Bildqualität
Bevor ich alles abbauen konnte, musste ich noch die Kalibrierungsbilder aufnehmen:
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Dark Frames: Aufnahmen bei gleicher Belichtungszeit, aber mit geschlossener Kameraabdeckung. Sie zeigen das thermische Rauschen des Sensors, das später herausgerechnet wird.
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Flat Frames: Aufnahmen eines gleichmäßig beleuchteten Feldes, z. B. mit einem Leuchttuch. Sie korrigieren Vignettierung und Schatten durch Staubpartikel.
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Bias Frames: Extrem kurze Aufnahmen (z. B. 0.001 s) zur Erfassung des Leserauschens des Sensors.
Diese Bilder sind entscheidend für ein sauberes, professionelles Endergebnis. Ohne sie bleiben unschöne Artefakte und Lichtfehler sichtbar.
Nachbearbeitung – das Unsichtbare sichtbar machen
Nach dem Übertragen der Daten auf meinen PC startete ich mit der Bearbeitung:
1. Stacken mit DeepSkyStacker (DSS)
DSS kombinierte alle Lightframes unter Berücksichtigung der Kalibrierungsdaten. Das Stacken erhöht das Signal-Rausch-Verhältnis drastisch und legt die Basis für die spätere Bearbeitung.
2. Bearbeiten mit PixInsight
In PixInsight begann die eigentliche kreative Phase:
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Gradienten entfernen mit DynamicBackgroundExtraction – besonders wichtig bei leichtem Himmelsaufhellung.
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Noise Reduction – in zwei Phasen, sowohl linear als auch nach dem Stretching.
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Stretching mit Histogramm-Transformation und Curves.
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Sterne entfernen mit StarNet2 – so konnte ich den Nebel getrennt bearbeiten.
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Farbanpassung, Kontrasterhöhung, Details herausarbeiten.
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Sterne verkleinern und später mit dem Nebelbild wieder kombiniert.
Die Bearbeitung dauerte etwa 1–2 Stunden, je nach Fokus. Bei komplexeren Projekten wie Mosaiken oder Schmalbandkombinationen kann sie aber auch viele Stunden oder Tage in Anspruch nehmen.
Gerade als Einsteiger oder wenn man neue Software wie PixInsight nutzt, kann die Einarbeitung fordernd sein. Doch mit etwas Geduld und Tutorials wird man schnell sicherer – und die Ergebnisse sprechen für sich.
Fazit – Astrofotografie mit Herz und Technik
Das Fotografieren des Crescentnebels war für mich ein besonderes Erlebnis. Die Kombination aus schneller Optik, dunklem Himmel und moderner Bildbearbeitung ermöglicht beeindruckende Resultate – selbst in nur einer Nacht.
Was mich an diesem Hobby so fasziniert: Es verbindet Präzision mit Kreativität. Man steht unter dem Sternenhimmel, arbeitet mit feinster Technik – und gleichzeitig erschafft man Bilder aus Licht, das Tausende Jahre unterwegs war.
Was kommt als Nächstes?
Ich plane demnächst ein Mosaikprojekt. Mal sehen, wie viele klare Nächte uns der Sommer noch schenkt.
Wenn du Fragen hast, selbst in die Astrofotografie einsteigen willst oder Tipps zur Bearbeitung brauchst – schreib mir gerne in den Kommentaren!
Clear Skies!
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